Begriff
Als Atommüll bezeichnet man radioaktiven Abfall, der nicht mehr
weiter genutzt werden kann. Er fällt in den verschiedensten
Bereichen an. Der überwiegende Teil entsteht in der radioaktiven
Brennstoffwirtschaft bei der Gewinnung von Uranerz an. Ein anderer
Teil entsteht in Kernkraftwerken und bei der Wiederaufarbeitung von
Brennstäben. Ein weiterer Teil stammt aus der Forschung, der
Nuklearmedizin und der Messtechnik. Der radioaktive Abfall kommt
überwiegend als Feststoff oder Flüssigkeit vor, selten auch
gasförmig. Vor einer Lagerung muss radioaktiver Abfall konditioniert
werden, da er in seiner ursprünglichen Form nicht lagerfähig ist.
Einteilung
Man unterscheidet je nach Strahlungsintensität drei Arten von
radioaktivem Abfall. Schwach aktiver Abfall (low active waste),
mittelaktiver Abfall (medium active waste) und hoch aktiver Abfall
(high active waste). Schwach aktiver Abfall zeigen eine Aktivität
kleiner 3,7 GBq/m³, mittelaktiver Abfall eine zwischen 3,7 GBq/m³
und 3,7 TBq/m³ und hoch aktiver Abfall eine Aktivität von größer als
3,7 Tbq/m³. Dabei das Becquerel (Bq) die Einheit für die Aktivität.
Ein Becquerel bedeutet einen Zerfall pro Sekunde. Diese Einteilung
wird jedoch heute in Deutschland nicht mehr angewandt, da sie für
eine Lagerung wenig aussagekräftig ist. Zur Zeit unterscheidet man
nach Wärmeabgabe. Abfall mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung
gibt pro Gebinde Energie im Milliwatt-Bereich ab. Abfall mit
geringer Wärmeentwicklung gibt pro Gebinde Energie im Watt-Bereich
ab. Abfall mit starker Wärmeentwicklung gibt pro Gebinde Energie im
Kilowatt-Bereich ab.
Radioaktiver Zerfall
Unter dem radioaktiven Zerfall versteht man das Auseinanderbrechen
instabiler Atomkerne. Dabei wird Energie in Form energiereicher
Teilchen und oder Gammastrahlung freigesetzt. Der Atomkern wird in
einen Atomkern anderer Art umgewandelt. Die Atome zerfallen in einer
feststehenden Größenordnung, der Halbwertszeit. Sie gibt an, nach
welcher Zeit nur noch die Hälfte der ursprünglichen Menge vorhanden
ist.
Beispiel:
Ursprüngliche Menge 100 g, Halbwertszeit eine Stunde. Nach einer
Stunde sind noch 50 g übrig, nach zwei Stunden noch 25 g, nach drei
Stunden noch 12,5 g usw..
Behandlung
Vor einer Einlagerung in ein Zwischen- oder Endlager bedarf der
radioaktive Abfall einer Behandlung. Die Behandlung hängt davon ab,
ob der Abfall fest, flüssig oder gasförmig ist, der Aktivität und
der Strahlungsgiftigkeit. Fester Abfall vernachlässigbarer oder
geringer Wärmeentwicklung wird volumenreduziert, an Zementmörtel
fixiert und in Fässer oder Containern eingepackt. Radioaktiver
Abfall in Flüssigkeiten wird abgetrennt. Dies kann auf verschiedene
Arten geschehen. Man kann die nichtaktive Flüssigkeit abdampfen und
erhält die radioaktive Festsubstanz. Eine andere Möglichkeit ist das
Ausfällen und Abfiltrieren der radioaktiven Stoffe. Mittels
Ionenaustauschern können die radioaktiven Stoffe ebenfalls aus der
Flüssigkeit entfernt werden. Die dadurch erhaltenen Rückstände
werden mit Zementmörtel verfestigt und in Stahlfässer verpackt.
Flüssige Abfälle mit starker Wärmeentwicklung fallen als salpertersauere, wässrige Lösung bei der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennstäben an. Die Flüssigkeit wird durch Verdampfen angereichert und in speziellen Behältern gelagert. Nach mehrjähriger Lagerung ist die Aktivität soweit abgeklungen, dass die Lösung in eine Form umwandelt werden kann, die zur Endlagerung geeignet ist. Zur Endlagerung werden die Spaltprodukte mit geschmolzenem Glas vergossen und Glasblöcken geformt. Diese werden in Edelstahlbehälter gepackt.
Lagerung
Radioaktiver Abfall soll nach der entsprechenden Behandlung in
tiefen geologischen Formationen endgelagert werden. Es ist geplant
nicht oder nur schwach wärmeentwickelnden Abfall in der ehemaligen
Eisenerzgrube Konrad in Salzgitter einzulagern. Stark
wärmeentwickelnder Abfall sollen in einem Salzstock in der
niedersächsischen Stadt Gorleben gelagert werden. Für beide
Standorte existieren jedoch noch keine abschließenden
Betriebsgenehmigungen, so dass sie noch nicht genutzt werden können.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde die friedliche Nutzung der Kernenergie in den fünfziger und sechziger Jahren in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. So wurde 1957 unter dem damaligen Atomminister Franz Josef Strauß in Garching bei München ein Forschungsreaktor, das sogenannte "Atomei" eröffnet. Kurz darauf folgte das Kernkraftwerk Kahl. Die Kernenergie wurde als sichere und wirtschaftliche Art der Energiegewinnung betrachtet.
Danach folgten meherer weitere Kernkraftkraftwerke, deren Leistung immer stärker wurde. Nach der sogenannten Ölkrise Anfang der siebziger Jahre wurde der forcierte Ausbau der Kernenergie geplant. Dadurch sollte die Versorgungslage von Ölimporten unabhängig werden.
Zu den ersten größeren Protesten kam es Mitte der siebziger Jahre in der badischen Gemeinde Wyhl am Kaiserstuhl. Damals wurde auch erstmal eine Baustelle eines Kernkraftwerkes besetzt, die jedoch kurz darauf von der Polizei geräumt wurde. 1976/77 kam es zu teilweise gewalttätigen Protesten an den Bauplätzen des Kernkraftkraftwerkes Brockdorf und des Schnellen Brüters in Kalkar. Als ab Mitte der achziger Jahre die Wiederaufarbeitungsanlage im öberpfälzischem Wackersdorf errichtet werden sollte, kam es dort zu bürgerkriegsähnlichen Schlachten mit den Sicherheitskräften, die auf beiden Seiten viele Verletzte forderten. Im Gegensatz zu Brockdorf, das schließlich doch ans Netz ging wurde Ende der achtziger von der Errichtung und dem Betrieb der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf abgesehen. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Industriepark.
Aus dem Widerstand gegen die Kernenergie entwickelte sich bald eine neue politische Bewegung. Die Protestbewegung war eine keine einheitliche Organisation. Sie setzte sich aus unterschiedlichen Gruppen mit unterschiedlicher Zielstellung zusammen. So gab es unter anderen die wertkonservativen Ökologen, die linken Spontigruppen, die pazifistischen Gruppierungen, die sich um das militärische Mißbrauchspotenzial der Kernenergie sorgten, die Landwirte, die sich um die Verkäuflichkeit ihrer Produkte sorgten und viele andere. Diese Gruppen verfügten über keinen organisatorischen Überbau, sondern beschlossen grundsätzliches und anstehende Aktionen auf Kongressen, zu denen die einzelnen Gruppen ihre Delegierten entsandten.
Aus dieser Organisationsform wurde 1980 die Grüne Partei gegründet, die nach der erfolgreichen Bundestagswahl 1983 in den Bundestag einzog, in dem sie seit dem bis auf die Wahlperiode 1990/1994 ständig vertreten war. 1985 kam es in Hessen unter Holger Börner und Joschka Fischer als Umweltminister zur ersten rot-grünen Koalition auf Länderebene. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 vereinigten sich die Grünen mit dem aus der ehemaligen DDR stammenden Bündnis 90 zu der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Als es die Stimmenanteile ermöglichten, kam es nach der Bundestagswahl 1998 zu einer rot-grünen Koaltion und Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer. Im Jahr 2000 beschloss die rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie, was 2002 zu einer Novelle des Atomgesetzes führte. Diese Koaltion wurde 2005 von von der schwarz-roten abgelöst. Der Erfolg der grünen Partei führte dazu, dass heute alle anderen politischen Parteien den ökologischen Gedanken in ihre Programme aufgenommen haben.
2010 wurde von der jetzigen schwarz-gelben Regierung der Atomaustieg verlängert. Alle Atomkraftwerke sollen weiter am Netz bleiben. Eine Brennelementesteuer wurde für die Betreiber der AKWs erhoben. Damit soll der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert werden. Die Proteste gegen diese Atompolitik flammten wieder auf. Im März 2011 steht durch die schreckliche Naturkatastrophe in Japan mit den dort beschädigten Atomkraftwerken die deutsche Energiepolitik wieder zur Disposition.
Aber nicht nur neue Organisationen entwickelten sich aus der Anti-AKW-Bewegung. In weiten Bevölkerungskreisen bildete sich ein anderes Bewußtsein über den Umgang mit der Natur. So zeigen Umfragen immer wieder, dass immer mehr Menschen Wert auf eine gesunde Ernährung legen. Immer mehr möchten von der zentralen Energieversorgung durch Riesenunternehmen weg, hin zu dezentraler Versorgung durch regenerative Energieträger, die unsere Umwelt und langfristig den Geldbeutel schont.
Die Nutzung der Kernenergie ist seit den fünfziger Jahren immer wieder durch Störfälle unterschiedlicher Gefahrenstufen betroffen, bei denen Radioaktivität freigesetzt wurde. Oftmals waren die Ursachen der Störfälle Probleme im Zusammenwirken des Mensch-Technik-Systems. Am Beispiel der Kernschmelze des amerikanischen Kernkraftwerkes Three Mile Island wird hier beschrieben, wie technische Pannen und menschliche Fehleinschätzungen zu einem der schwerwiegenden Störfälle führen können.
Am 28.03.1978 kam es bei Wartungsarbeiten zu einem Zwischenfall bei dem die Speisewasserpumpe eines Kühlkreislaufes ausfiel. Routinemäßig schaltete sich der Reaktor automatisch ab. Dabei werden die Regelstäbe in den Reaktorkern abgesenkt um die Kettenreaktion zu unterbrechen. Nach einer Abschaltung steigt jedoch trotzdem die Wärme im Reaktor an. Durch diesen Anstieg der Wärme erhöhte sich der Druck im Primärkühlkreislauf über das zulässige Maß, so dass sich sich ein Sicherheitsventil öffnete. Dieses Ventil hätte sich nach Erreichen des Regeldruckes automatisch wieder schließen sollen, was jedoch nicht geschah. Ein schwerwiegender Kasus zahlreicher Störfälle zeichnete sich ab.
Die Instrumente der Messwarte zeigten die Stellung des Ventils aber nicht an, so dass weiterhin Kühlwasser entweichen konnte. Das Versagen des Ventils blieb über zwei Stunden hinweg unbemerkt. Ein Notkühlsystem, das bei einem Ausfall des Hauptkühlsystems einspringen sollte, war zwei Tage vor dem Störfall überprüft worden.
Nach der Überprüfung blieben zwei Ventile geschlossen, die nach dem Test wieder geöffnet hätten werden sollen. Dadurch konnten die Notfallpumpen, obwohl sie liefen, kein Kühlwasser in den Kühlkreislauf einspeisen. Nach ca. 10 Minuten wurden dieser Fehler bemerkt und die Ventile geöffnet.
Durch das immer noch geöffnete Sicherheitsventil trat weiterhin Dampf und Wasser aus, so dass der Druck im Primärkühlkreislauf weiter absank. Durch die Bildung von Dampfblasen verteilte sich das Wasser im System anders und der Druckbehälter füllte sich mit Wasser. Eine Füllstandsanzeige zeigte an, dass das System überfüllt sei.
Daraufhin wurde der Wasserzufluss gestoppt. Die Temperatur stieg über ca. 1,5 Stunden langsam an und die Pumpen des Primärkühlkreislaufes saugten anstatt Wasser nur noch Dampf an, was zu starken Vibrationen führte. Daraufhin wurden die Pumpen abgestellt und man glaubte, dass die natürliche Zirkulation den Wasserfluss aufrecht erhielt. Die Leitungen waren jedoch durch Dampf blockiert, so dass keine Zirkulation mehr stattfand und immer mehr Wasser verdampfte.
Die Wärme des oberen Reaktorteiles konnte nur noch unzureichend abgeführt werden. Bei den nun vorhandenen hohen Temperaturen fingen die Hüllen der Brennstäbe an sich zu zersetzen. Bei dieser Reaktion wird Wasserstoff freigesetzt . Der Wassestoff gelangte in den Sicherheitsbehälter des Reaktors, wo er mit dem Luftsauerstoff Knallgas bildete.
In der Zwischenzeit lag das ganze Kühlsystem still und der aufgeheizte Reaktorkern fing an zu schmelzen. Endlich wurde auch das offene Sicherheitsventil im Primärkreislauf bemerkt und ein nachgeordnetes Ventil geschlossen, so dass über diese Stelle kein Wasser und kein Dampf mehr entweichen konnte. Das ausgetretene Kühlmittel sammelte sich im Reaktorsicherheitsbehälter. Von dort wurde es fehlerhafter Weise in einen Sammeltank gepumpt, der überlief. Dem Bedienpersonal war nicht klar, dass der Kühlkreislauf zu wenig Wasser enthieltund große Teile des Kerns nicht gekühlt wurden.
Ca. 8 Stunden nach dem Eintritt des Störfalls wurde frisches Wasser in den Kühlkreislauf eingeleitet und ein Sicherheitsventil geöffnet, um den Druck abzulassen.
Kurz darauf explodierte das Knallgas im Reaktorsicherheitsbehälter. Nach 16 Stunden wurden die Pumpen des Kühlwasserkreislaufes wieder eingeschaltet und die Reaktortemperatur wieder abgesenkt.
Eine weitere Panne zahlreicher Störfälle in der Kerntechnik verlief um Haaresbreite noch mal glimpflich ab.